Erklärung zur Demonstration “Hände weg von Rojava” am 30. März in Mannheim

Kreisvorstand von Bündnis 90/Die GRÜNEN Mannheim

Während zu viele Mannheimerinnen und Mannheimer noch immer nicht wissen, worum es wirklich geht, wenn Kurdinnen und Kurden in einem Demonstrationszug durch die Innenstadt ziehen, ist das Thema für viele andere in dieser Stadt höchst emotional. Der seit mehreren Jahrzehnten laufende Konflikt zwischen Türkei und Kurden hat das Leben vieler, gerade oft junger Menschen auf beiden Seiten gekostet. Dieser Verletzungen und Verbitterungen sind auch ein Teil unserer Stadtgesellschaft geworden, den wir als politischer Akteur nicht ignorieren können.

Gerade hier in Mannheim wissen wir, dass die Türkei und Europa mehr verbindet als uns trennt. In ganz Deutschland leben circa drei Millionen türkeistämmige Menschen. Seit vielen Jahren jedoch leiden die Beziehungen zwischen der Türkei und der EU dramatisch. Wir sehen die Spannungen auch in unserer Stadtgesellschaft. Die GRÜNEN haben als Partei darüber noch nie geschwiegen sondern nennen das Kind beim Namen: Die Türkei hat unter Präsident Erdogan den Pfad von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie verlassen.

Die GRÜNEN haben die HDP bei den Parlamentswahlen 2015 unterstützt. Seit dem Wahlerfolg hat die Repression gegenüber allen kritischen Stimmen jedoch stark zugenommen. Ganz besonders leiden darunter die kurdischen Gebiete. Im vergangenen Jahr ist all dies durch den Angriffskrieg auf Afrin noch einmal dramatisch ins Bewusstsein auch der deutschen Öffentlichkeit gerückt worden.

Es ist umso mehr ein Skandal, dass die Waffenexporte in die Türkei in den letzten Jahren trotz der Kritik sogar noch deutlich gestiegen sind! Die deutsche Rüstungsindustrie macht weiterhin mit Erdogans aggressiver Politik satte Profite. Die von der Bundesregierung angekündigten, verschärften Rüstungsexportrichtlinien stehen noch immer nicht.

Der türkische Einmarsch zeigt somit auch das Scheitern der deutschen und europäischen Türkeipolitik auf. Präsident Erdogan kann sich außenpolitische Eskalationen erlauben, ohne laute Kritik aus Berlin und Brüssel befürchten zu müssen. Die Stimmen der kritischen Parteien sind schlichtweg nicht stark genug. Daran müssen wir alle etwas ändern. Es ist Zeit für einen Kurswechsel! Wir GRÜNE in Mannheim möchten deshalb die Gelegenheit nutzen, zur Europawahl am 26. Mai aufzurufen: Wählen wir diejenigen ab, die nichts sagen, wenn sie gebraucht werden! Wir wollen ein starkes, solidarisches Europa, dass Nationalismus und Krieg eine klare Kante zeigt – und wir können es wählen.

Wir verurteilen auf das Schärfste das Vorgehen der Türkei unter der Regierung Erdogan, rufen aber auch die andere Seite dazu auf, sich unmissverständlich von Gewalt und Nationalismus abzugrenzen. Nur so kann maximale Solidarität einer breiten Menge Unterstützerinnen auch aus dem nicht-kurdischen Umfeld eingeworben werden. Zu oft gehen auch heute noch das löbliche kurdische Engagement für Demokratie, Frauenrechte und gerade auch gegen Terrorismus in der Region unter den lauten Rufen des Nationalismus unter und eigentliche Unterstützer*innen bleiben skeptisch.

Die tiefe Spaltung der türkischen Gesellschaft darf nicht das friedliche und tolerante Zusammenleben in Deutschland und Europa gefährden. Mit dem Mannheimer Bündnis für ein Zusammenleben in Vielfalt, deren Erklärung bisher 292 Institutionen unterschrieben haben, haben wir in unserer Stadt ein vorbildliches Instrument geschaffen, das wir wertschätzen und nutzen sollten. Gerade weil wir hier wissen wie es gehen kann, ist für uns glasklar: Auf internationaler Ebene und mit europäischer Unterstützung müssen die Friedensgespräche wiederaufgenommen werden. Frieden im Mittleren Osten ist ohne eine Einbeziehung kurdischer Interessen nicht machbar.

Die GRÜNEN solidarisieren sich mit allen Opfern von Unterdrückung und Kriegstreiberei. Die Kurd*innen, Alevit*innen, Araber*innen, Christ*innen, Jesid*innen, Assyrer*innen oder Armenier*innen und alle die unter widrigen Umständen eine demokratische Gesellschaft aufzubauen versuchen, haben unsere Unterstützung verdient. Nach wie vor stehen wir auch fest an der Seite derjenigen in der Türkei, die für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Weltoffenheit eintreten. Wir möchten allen danken, die hier in Deutschland für eine friedvolle Lösung auf der Grundlage von Völkerrecht und Menschenrechten gewaltfrei demonstrieren.

Mannheim 22.03.2019